Erfahrungsbericht von Sarah Schemmel, Hamburg

März 2011, Gambia, Westafrika
Es ist Mittwoch, 8 Uhr. In der Wartehalle des Health Center Buniadu herrscht bereits Hochbetrieb. Zahlreiche Patienten, vor allem Mütter mit ihren kleinen Kindern, sitzen auf den Beton-Bänken und erwarten uns. „Al saama“ tönt der Chor der Leute, was auf Mandinko „Guten Morgen“ bedeutet.
Die einheimischen Mitarbeiter bereiten die Behandlungsräume vor, in der Anmeldung werden die ersten Patienten schriftlich registriert. Es wird wieder ein langer Arbeitstag werden. Viele Patienten haben weite Wege auf sich genommen, um im Health Center behandelt zu werden.
Heute ist „Weight Day“. Wir kontrollieren die Gewichte der unterernährten Babies, um zu sehen, ob die Mütter sich unsere Ratschläge zu Herzen genommen und die gespendete Pulvermilch verabreicht haben.
Die kleine Aminata ist jetzt 10 Wochen alt. Mittlerweile haben wir erreicht, dass sie immerhin ihr Gewicht von 2800 Gramm halten kann und nicht weiter abnimmt. Der Mutter haben wir über den Dolmetscher gesagt, dass sie ihr Kind öfter stillen muss. Manche Babies sind zu schwach zum Weinen, woraus die Mütter schließen, sie seien schon satt. Aber die Mutter von Aminata hat unsere Ratschläge verstanden. Die kleinen schwarzen Knopfaugen schauen sich interessiert um, und es macht großen Spaß, das Mädchen bei der Entdeckung ihrer Welt zu beobachten.
Nur haben wir dafür wenig Zeit. Denn in der Wartehalle wird es zunehmend voller. Mittlerweile sind auch die Temperaturen deutlich angestiegen. Nicht selten werden über 40 Grad im Schatten erreicht. Ich habe Glück, denn immerhin haben wir im Moment Trockenzeit, in der das Klima für Europäer am angenehmsten ist.
Gegen Mittag gönnen wir uns eine kleine Pause. Omar, einer der Mitarbeiter, hat Tapalapa besorgt, das typische gambische Weißbrot, welches am besten mit einer Mischung aus dem französischen Baguette und der italienischen Ciabatta zu beschreiben ist. In unserer Mitte steht auf dem Boden eine große Metallschüssel mit gebratenem Fisch und Spaghetti. Gemeinsam essen alle Mitarbeiter daraus. Es wird gequatscht, gelacht und für den Moment entspannt. Doch es muss bald weitergehen. Es gibt noch viele Patienten, die auf ihre Behandlung warten. Bouba hat sich beim Fußball verletzt und zeigt schüchtern seine große Wunde am Knie, die gesäubert und verbunden werden muss. Binta hat Schmerzen in der Brust ,starken Husten und Fieber. Sie bekommt ein Antibiotikum und soll zuhause mit Menthol inhalieren. Der kleine Ebrima hat sich am offenen Feuer, auf dem seine Großmutter das Mittagessen zubereitet, die Hand verbrannt und schreit vor Schmerzen. Die Frau vom Bürgermeister plagen ihre Gelenkbeschwerden. Sie bekommt ein Schmerzmittel verabreicht. So vergehen die Stunden. Ich habe gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist, als ich den letzten Namen mit Diagnose und Therapie in unser Registrierungsheft schreibe.
Alle sind erschöpft und hungrig. Wir gehen nach Hause, wo wir auf der Lodge von Heike und Heiner ein köstliches Abendessen zubereiten und den afrikanischen Sonnenuntergang genießen. Nach Abwasch und eigener Körperpflege sitzen wir glücklich am Lagerfeuer und besprechen den Tag. Dabei erstrahlt ein wunderschönes Sternenzelt über unseren Köpfen und ich weiß, dass ich nicht zum letzten Mal hier war.
Sarah Schemmel, Hamburg