Zwei unvergessliche Wochen in Buniadu von Ute und Werner, sowie Franz und Hedi

Den Wunsch, einmal nach Afrika zu reisen hatten mein Mann Franz und ich schon länger. Jedoch fehlte uns der letzte Anstoß und vielleicht auch der Mut.
Im Frühjahr 2011 wurde der Wunsch Wirklichkeit, nachdem unsere Freundin Ute uns zu einem Bildervortrag über das RDI – Gesundheitszentrum in Buniadu einlud.
Sie erzählte über ihre Eindrücke und
Erlebnisse, die sie dort während eines
freiwilligen Arbeitseinsatzes im
Frühjahr 2010 erfahren durfte. Die
Bewerbung bei Heike und Heiner führte uns Vier dann im April nach Buniadu zu RDI.
Ute ist Arzthelferin und sollte, wie bereits ein Jahr zuvor, im medizinischen Bereich arbeiten. Unter Heiners Regie waren Werner, Franz und ich für handwerkliche Tätigkeiten eingeplant.

Bepackt mit 6 Koffern voller Spenden von Privatleuten und Firmen, wobei 1 Koffer ausschließlich medizinisches Material enthielt, flogen wir erwartungsvoll und mit zum Teil gemischten Gefühlen ab München über Brüssel nach Banjul, dem Zielflughafen von Gambia. Dort wurden wir bereits von Heike und Heiner herzlich in Empfang genommen. Am Zoll mussten wir einen unserer Koffer öffnen, konnten aber glücklicherweise unbehelligt weiterziehen, nachdem der Zollbeamte einen kleinen Kinderrucksack für seine Tochter erhalten hatte.
Unsere insgesamt 8 Koffer wurden zu den
von Heike und Heiner gekauften Getränke-
kisten auf das Fahrzeugdach geladen. Bei
ca. 35 ° ging die Fahrt mit einem Kleinbus
Richtung Fähre. Dazwischen machten wir
einen Stopp auf einer kleinen Werft, da
Heiner starke Bretter für die Batterien der
Solaranlage bestellen wollte. Außerdem
durften wir das neue große Holzschiff des
Präsidenten besichtigen, das an der Werft vor Anker lag.
Die Überfahrt mit der Fähre war ein Nervenkitzel der besonderen Art. Eigentlich sollte die Fahrtzeit ca. 40 Minuten betragen. Der Gambia Fluss ist an dieser Stelle ca. 12 km breit. Doch statt der 40 Minuten dauerte die Fahrt 4 Stunden. Aber nicht etwa, weil der Sprit ausging, sondern weil der Kapitän in der inzwischen hereingebrochenen Dunkelheit
seine Fahrrinne verloren hatte und schließlich auf Grund auflief. Mit nun doch etwas mulmigem Gefühl verfolgten wir die Bemühungen einer anderen Fähre, uns freizubekommen. Dies gelang jedoch erst, nachdem in einer riskanten Aktion ein Großteil der Menschen unter Lebensgefahr, ohne Brücke, auf die andere Fähre gesprungen waren und vom Meer her die Flut aufkam. Gegen Mitternacht erreichten wir dann, Gott sei Dank, unbeschadet die andere Seite des Flussufers.

An unserem ersten Übernachtungsziel, der Lodge von Heike und Heiner außerhalb des Dorfes, erwartete uns dann als Willkommensgruß noch ein leckeres Essen der Nachbarin mit Reis, Fisch und Gemüse. Nach diesem ereignisreichen und langen Tag waren wir doch ziemlich geschafft und schliefen tief und fest in unsere erste afrikanische Nacht.
Am nächsten Morgen, frisch ausgeschlafen, ging unser erster Weg zum Health-Centre (HC), wo Heike und Heiner schon arbeiteten und wir von den Staffs (Angestellten) herzlich begrüßt wurden. Die Wartehalle des HC war bereits voll besetzt mit vielen großen und kleinen Patienten, die uns freundlich und erwartungsvoll taxierten.
Das erste Frühstück mit Heike, Heiner und den Angestellten, bestehend aus Kaffee und Tapalappa (Baguette) mit Ei und Mayonnaise, schmeckte gut, obwohl ich mir vorab ein Frühstück mit Mayonnaise nicht vorstellen konnte.
Frisch gestärkt sollte nun unser Umzug zu unserer eigentlichen Unterkunft im Dorf erfolgen. Eine für uns absolut neue Erfahrung, zwei Wochen ohne Strom und fließendes Wasser zu leben.
Laiti mit seiner Eselskarre brachte unser Gepäck und einige Wasserkanister zum Compound von Dembo, der uns 2 Zimmer sowie eine Dusche und ein WC gegen einen kleinen Obolus zur Verfügung stellte. Bei 41° räumten wir schwitzend unsere Zimmer ein und erklärten unsere Betten mit einem Moskitonetz zur kleintierfreien Zone.

Im kleinen, nach außen abgeschirmten Innenhof konnten wir morgens, vor der Arbeit, unser 1. Frühstück genießen (Kaffee und Kekse) und abends, vor dem schlafen gehen, relaxt den Tag ausklingen lassen.
Die Dusche wertete Franz auf, indem er den Wasserkanister zum Duschen mit einem unserer Koffergurte an einem Deckenbalken befestigte. Fertig war unser Duschkopf. Auch eine Toilettenpapierhalterung, konstruiert aus einem Draht und einem Nagel, leistete gute Dienste.
Den Rest des Tages schauten wir uns im Dorf um und ließen uns von Heiner die unmittelbare Umgebung zeigen sowie den Tagesablauf und die zu erledigenden Tätigkeiten erklären. Die Kinder des Dorfes empfingen uns immer mit einer unglaublichen Freude und Fröhlichkeit und viele wollten auf den Arm genommen werden.
Der Schneider, der seine Nähmaschine vor dem Eingang des Lebensmittelladens platziert hatte und ein Kleid nähte, inspirierte Ute sofort, sich für 250,– Dalasi (EUR 7,50) ebenfalls ein Kleid nähen zu lassen. Sie musste sich nur noch in Barra, der nächst größeren Ortschaft Stoff kaufen.
Den Abschluss des Tages krönte täglich ein köstliches Abendessen bei Heike und Heiner, das von allen abwechselnd zubereitet wurde. Auch die damit verbundenen Haushaltstätigkeiten wurden gemeinsam erledigt. Bis zum Einbruch der Dunkelheit spielten wir mit den Nachbarkindern oder machten einen kleinen Spaziergang zum nahegelegenen Nebenfluss des Gambia River oder in die Umgebung.
Über kleine Geschenke wie Luftballon oder Fußball freuten sich die Kinder riesig. Beim täglichen Lagerfeuer ließen wir den Tag ausklingen und erzählten oder genossen einfach den sternebedeckten nächtlichen Himmel. Gelegentlich wurden wir auch von Rauchschwaden eingehüllt und mussten flüchten. Heiner arbeitete meist noch an seinem Laptop.
Mit Taschenlampen bestückt machten wir uns immer auf den Heimweg ins Dorf, wobei uns Heiner mahnte, wegen giftiger Schlangen, auf den Weg zu achten.
Am nächsten Tag wollte Heike in Barra noch einige Einkäufe erledigen und nahm uns mit, sodass wir unsere erste Bekanntschaft mit einem Gille-Gille (Buschtaxi) machen konnten. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel und das Thermometer kletterte auf 44°.
Heike kaufte in einem Baumarkt ein
Moskitonetz für unser Fenster und
Lebensmittel für das Abendessen. Sie
fuhr bei dieser Hitze jedoch gleich
wieder zurück, wogegen wir durch
den heimischen Markt schlenderten,
vorbei an Obst, Gemüse, Fisch und
Hähnchen. Der Stoff für Ute’s Kleid
 hatte auch bald den Besitzer gewechselt und so konnten wir uns am
 nahe gelegenen Gambia River etwas 
abkühlen. Das Wasser war klar und der Größe nach hatten wir den Eindruck, am Meer zu sein.
Die Rückfahrt mit dem Gille-Gille erfolgte dann erst nach längerem Feilschen von Ute mit verschiedenen Fahrern.
Am Sonntag hatten wir unseren ersten kleineren Arbeitseinsatz. Heike und Heiner warteten sehnsüchtig, dass Werner das Ambulanzfahrzeug wieder fahrtüchtig macht. Franz und ich bastelten ein Regal für den OP-Raum und Ute füllte den OP mit den neuen mitgebrachten Verbandsstoffen auf.
Beim abendlichen Spaziergang am Fluss sahen wir Dodo, einen der älteren Mitarbeiter des HC, der sein repariertes Boot, mit Hilfe eines Freundes, erfolglos versuchte ins Wasser zu bekommen. Franz half das Boot mit Schwung ins Wasser zu schieben. Die beiden Männer waren so begeistert, dass Franz ab sofort im ganzen Ort nur noch „Big Man“ war. Als Dankeschön kochte Dodo’s Frau am nächsten Tag ein herrliches Essen aus Fischbällchen und Reis für das gesamte HC.

Um 8.00 Uhr morgens starteten unsere Arbeitstage im HC.
Es kamen täglich nahezu 50 Patienten und mehr.
Ute war im OP-Raum beschäftigt. Da Maimouna, eine Hilfskraft von Heike, wegen Zahnschmerzen am Anfang ausfiel, musste Ute mit einem Dolmetscher und der Hilfe von Dodo ihre Patienten zunächst alleine versorgen. Jede Menge Verbandswechsel mussten gemacht werden für z.B. ein kleines Kind, das mit beiden Unterarmen in ein offenes Feuer gefallen war.

Ein Junge mit tiefer Beinwunde, die stark eiterte, ein Mann mit einem teils abgetrennten Finger, verletzte Babys und vieles mehr mussten behandelt werden. Heike kümmerte sich um Patienten mit z.B. hohem Blutdruck, Diabetes, Erkältungen, Wurmbefall und um untergewichtige Babys. Die Aufzählung könnte endlos lange fortgesetzt werden.

Trotzdem war Heike jederzeit helfend zur Stelle, wenn Ute ihre Unterstützung brauchte.
Ute wollte am liebsten die kleinen Babys mit nach Hause nehmen.

Werner ging auf Fehlersuche beim Ambulanzfahrzeug, was sich allerdings als sehr schwierig herausstellte und ihn immer wieder an den Rand der Verzweiflung brachte. Sämtliche Teile hatte er ausgebaut, eingebaut, gereinigt und durchgeblasen. Da die Autobatterie leer war musste sie Heiner immer wieder mit einem stinkenden Stromgenerator, der
einen Höllenlärm machte, aufladen. Zwischendurch fuhren Heiner und Werner nach Serekunda, einer etwas größeren Stadt, um sich nach bestimmten Ersatzteilen umzusehen. Dies ist in Gambia jedoch
nicht so einfach und sehr zeitaufwendig.

Einen Tag vor unserer Rückreise klang plötzlich anhaltendes Motorengeräusch wie Musik in unseren Ohren. Das Ambulanzfahrzeug lief wieder. Alle jubelten und freuten sich, vor allem natürlich Heiner und Heike und nicht zuletzt Werner.

Franz und ich sollten eigentlich den auf dem Seeweg befindlichen Container entladen helfen. Er enthielt die von einer deutschen Firma gespendete Solaranlage samt Zubehör und viele weitere Spenden für sämtliche Lebensbereiche. Doch der Container kam leider erst einen Tag vor unserer Abreise im Hafen von Banjul an. Die Arbeit ging uns aber trotzdem nicht aus.
Franz erledigte die elektrischen Vorarbeiten zur Installation der Solaranlage und machte die Anschlüsse für die Wasserversorgung. Heiner organisierte aus dem Dorf einen Helfer zum Aushub eines Grabens für die Wasserleitung. Anschließend konnte Franz die Anschlüsse vom Wasserspeicher zum Brunnen und weiterführend ins HC und nach außerhalb zu einer Wasserstelle für die Dorfbewohner verlegen. Zwischendurch unterstütze er Werner bei der Fehlersuche am Ambulanzfahrzeug, half mir, Teerfolie zuzuschneiden

Da ich das Leichtgewicht unserer Truppe war, durfte ich Nägel, die das Wellblech des Daches festhielten, mit Teerfolie abdichten, sodass in der Regenzeit kein Wasser mehr eindringen konnte. Jeden Morgen begrüßten mich auf dem Dach die fröhlich winkenden Kinder mit „Toubab“ (Weiße) und „how are you“, bevor sie in die nebenan liegende Schule
gingen. Nach einer Woche kleben und schwitzen bei über 40 ° waren alle Nägel dicht. Wie ich zwischenzeitlich erfahren habe, sind die darunter liegenden Räume nach er ersten Regenzeit noch trocken.

In den folgenden Tagen war streichen angesagt. Die Bretter, auf die die Solar- speicherbatteriengestellt wurden, mussten imprägniert werden. Außerdem hatte Moussa, Heiner’s rechte Hand, Holzkisten gezimmert, die ich mehrfach mit blauer Farbe strich, dass Termiten das weiche Holz nicht sofort in Sägemehl verwandelten.

An unserem zweiten freien Wochenende machten wir einen Tagesausflug mit Bubba“ und seinem Batchcar (Dreirad) auf dem „Red Highway“ nach Albreda. Eine lustige und ereignisreiche Fahrt, nachdem das Vorderrad des Batchcar Plattfuß hatte und die Wagenheber Franz und Werner gefragt waren.

Wir ließen uns im dortigen Museum die Geschichte des grausamen Sklavenhandels erzählen, bevor wir mit einem Boot unter Trommelmusik zur Insel Kuntah-Kinte gefahren wurden. Von dieser Insel aus wurden die eingefangenen Sklaven nach Amerika verschifft. Der Film Roots spielt die Geschichte einer Familie aus Albreda.
Dieser Bericht kann nur einen Teil unserer Erlebnisse und Eindrücke wiedergeben und wir danken Heike und Heiner ganz herzlich für ihre Unterstützung. Es hat uns viel Freude gemacht zu helfen, auch wenn zwischendurch der eine oder andere einen kleinen Durchhänger hatte.
Durch sie durften wir viele liebenswerte Menschen kennen lernen. Was Heike und Heiner uneigennützig für diese Ärmsten der Armen leisten ist unglaublich und bewundernswert.
Heike und Heiner, wir Vier aus dem Schwabenland, danken euch von ganzem Herzen

Erfahrungsbericht von Sarah Schemmel, Hamburg

März 2011, Gambia, Westafrika
Es ist Mittwoch, 8 Uhr. In der Wartehalle des Health Center Buniadu herrscht bereits Hochbetrieb. Zahlreiche Patienten, vor allem Mütter mit ihren kleinen Kindern, sitzen auf den Beton-Bänken und erwarten uns. „Al saama“ tönt der Chor der Leute, was auf Mandinko „Guten Morgen“ bedeutet.
Die einheimischen Mitarbeiter bereiten die Behandlungsräume vor, in der Anmeldung werden die ersten Patienten schriftlich registriert. Es wird wieder ein langer Arbeitstag werden. Viele Patienten haben weite Wege auf sich genommen, um im Health Center behandelt zu werden.
Heute ist „Weight Day“. Wir kontrollieren die Gewichte der unterernährten Babies, um zu sehen, ob die Mütter sich unsere Ratschläge zu Herzen genommen und die gespendete Pulvermilch verabreicht haben.
Die kleine Aminata ist jetzt 10 Wochen alt. Mittlerweile haben wir erreicht, dass sie immerhin ihr Gewicht von 2800 Gramm halten kann und nicht weiter abnimmt. Der Mutter haben wir über den Dolmetscher gesagt, dass sie ihr Kind öfter stillen muss. Manche Babies sind zu schwach zum Weinen, woraus die Mütter schließen, sie seien schon satt. Aber die Mutter von Aminata hat unsere Ratschläge verstanden. Die kleinen schwarzen Knopfaugen schauen sich interessiert um, und es macht großen Spaß, das Mädchen bei der Entdeckung ihrer Welt zu beobachten.
Nur haben wir dafür wenig Zeit. Denn in der Wartehalle wird es zunehmend voller. Mittlerweile sind auch die Temperaturen deutlich angestiegen. Nicht selten werden über 40 Grad im Schatten erreicht. Ich habe Glück, denn immerhin haben wir im Moment Trockenzeit, in der das Klima für Europäer am angenehmsten ist.
Gegen Mittag gönnen wir uns eine kleine Pause. Omar, einer der Mitarbeiter, hat Tapalapa besorgt, das typische gambische Weißbrot, welches am besten mit einer Mischung aus dem französischen Baguette und der italienischen Ciabatta zu beschreiben ist. In unserer Mitte steht auf dem Boden eine große Metallschüssel mit gebratenem Fisch und Spaghetti. Gemeinsam essen alle Mitarbeiter daraus. Es wird gequatscht, gelacht und für den Moment entspannt. Doch es muss bald weitergehen. Es gibt noch viele Patienten, die auf ihre Behandlung warten. Bouba hat sich beim Fußball verletzt und zeigt schüchtern seine große Wunde am Knie, die gesäubert und verbunden werden muss. Binta hat Schmerzen in der Brust ,starken Husten und Fieber. Sie bekommt ein Antibiotikum und soll zuhause mit Menthol inhalieren. Der kleine Ebrima hat sich am offenen Feuer, auf dem seine Großmutter das Mittagessen zubereitet, die Hand verbrannt und schreit vor Schmerzen. Die Frau vom Bürgermeister plagen ihre Gelenkbeschwerden. Sie bekommt ein Schmerzmittel verabreicht. So vergehen die Stunden. Ich habe gar nicht gemerkt, dass es schon so spät ist, als ich den letzten Namen mit Diagnose und Therapie in unser Registrierungsheft schreibe.
Alle sind erschöpft und hungrig. Wir gehen nach Hause, wo wir auf der Lodge von Heike und Heiner ein köstliches Abendessen zubereiten und den afrikanischen Sonnenuntergang genießen. Nach Abwasch und eigener Körperpflege sitzen wir glücklich am Lagerfeuer und besprechen den Tag. Dabei erstrahlt ein wunderschönes Sternenzelt über unseren Köpfen und ich weiß, dass ich nicht zum letzten Mal hier war.
Sarah Schemmel, Hamburg